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Zuständiges Gericht für Scheidung, wenn Antragsteller in zwei Ländern lebt

Möchten Sie geschieden werden, kann nur das örtlich zuständige Gericht Ihre Scheidung beschließen. Leben Sie in zwei Ländern, ist die Frage zu klären, in welchem Land Sie Ihre Scheidung beantragen können. Fragen dieser Art regelt die „Brüssel IIa-Verordnung“ (Nr. 2201/2003) der Europäischen Union. Zentrales Kriterium zur Bestimmung des zuständigen Gerichts ist, wo Sie Ihren „gewöhnlichen Aufenthalt“ haben. Zuletzt sah sich der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg veranlasst, hierzu Stellung zu nehmen.

Warum kommt es darauf an, wo Sie leben?

Leben Sie dauerhaft in einem einzigen Land (z.B. Deutschland), gibt es normalerweise kein Problem, das örtlich zuständige Familiengericht für Ihre Scheidung zu bestimmen. Im Regelfall ist dasjenige Familiengericht zuständig, wo Sie wohnen oder vor Ihrer Trennung vom Partner zuletzt gewohnt haben.

Leben Sie jedoch in zwei Ländern, wird es schwierig. Der Europäische Gerichtshof hatte einen Fall über eine französisch-irische Scheidung zu entscheiden, in dem ein französischer Staatsangehöriger, der mit einer irischen Staatsangehörigen verheiratet war und bis zur Trennung in Irland lebte, die Scheidung in Frankreich beantragte.

  • Das Gericht in Frankreich hatte zu klären, ob es zuständig war oder ob es sich für unzuständig erklärte und den Antragsteller darauf zu verweisen hätte, die Scheidung in Irland einzureichen.
  • Zweifel ergaben sich daraus, dass der Antragsteller zwar mit seiner Frau und seinen drei Kindern in Irland wohnte, sich aber unter der Woche aus beruflichen Gründen in Paris aufhielt. Damit stellte sich die Frage, wo der gewöhnliche Aufenthalt des Antragstellers begründet war, ob in Irland oder in Frankreich.
  • Der gewöhnliche Aufenthalt ist deshalb wichtig, weil die gesetzliche Regelung genau auf diesen Aspekt abstellt. Auch kommt es darauf an, den rechtlich bedeutsamen gewöhnlichen Aufenthalt vom tatsächlichen und rechtlich nicht relevanten Aufenthalt abzugrenzen.
  • Das französische Gericht sah sich veranlasst, dem Europäischen Gerichtshof die Frage vorzulegen, ob ein Ehepartner, der sein Leben in zwei Mitgliedstaaten verbringt, seinen gewöhnlichen Aufenthalt in diesen beiden Mitgliedstaaten haben kann, so dass die Gerichte beider Mitgliedstaaten für die Entscheidung über die Scheidung zuständig wären.

Was ist der gewöhnliche Aufenthalt?

Der Europäische Gerichtshof hat klargestellt, dass ein Ehepartner zwar im gleichen Zeitraum an mehreren Orten seinen Aufenthalt haben kann, wenn er wie im Fall in Irland lebt und in Frankreich arbeitet. Möchte er aber die Scheidung beantragen, kann er in einem bestimmten Zeitraum nur einen einzigen gewöhnlichen Aufenthalt haben.

Lebt der Ehepartner also im gleichen Zeitraum in zwei Staaten, sind allein die Gerichte des Staates zuständig, in dessen Hoheitsgebiet sich der gewöhnliche Aufenthalt befindet. Die Familiengerichte müssen also anhand aller tatsächlichen Umstände des Einzelfalls prüfen, wo der gewöhnliche Aufenthalt liegt (EuGH, Urteil v. 25.11.2021, Az. C-289/20, Quelle: Pressemitteilung des EuGH Nr. 211/2021 v. 25.11.2021).

Der EuGH verweist darauf, dass der gewöhnliche Aufenthalt durch zwei Elemente gekennzeichnet sei:

  • Einerseits komme es auf den Willen des Ehegatten an, den gewöhnlichen Mittelpunkt seiner Lebensinteressen an einem bestimmten Ort zu begründen.
  • Zum anderen sei maßgebend, dass der Ehepartner durch eine hinreichend dauerhafte Anwesenheit im Hoheitsgebiet des Staates bekunde, dass er/sie hier den Lebensmittelpunkt unterhält.

Gut zu wissen: Unterschied zwischen Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthaltsort

Der gewöhnliche Aufenthalt knüpft also den Lebensmittelpunkt einer Person an. Nach § 7 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ist ein Wohnsitz hingegen der Ort, an dem man sich ständig niederlässt, z.B. wenn man dort eine Wohnung anmietet und sie unterhält.

Beschließt ein Ehepartner, sich wegen der Krise seiner Ehe in einen anderen Staat niederzulassen, steht es ihm frei, soziale und familiäre Verbindungen im Staat des früheren gemeinsamen Aufenthaltes des Ehepaars beizubehalten (im Fall in Irland). Verlegt der Ehepartner seinen Wohnsitz in einen anderen Staat (im Fall nach Frankreich) müsste er nachweisen, dass er sich dort so eingerichtet hat, dass er dort seinen sozialen Mittelpunkt begründet hat und der Schwerpunkt im Verhältnis zum früheren Lebensmittelpunkt sich dorthin verlagert hat. Es sei aber nicht möglich, zwei gleichwertige Lebensmittelpunkte zu unterhalten und daraus nach Beliebigkeit die Zuständigkeit eines Familiengerichts begründen zu wollen.

Dauer beim gewöhnlichen Aufenthalt

In der gerichtlichen Praxis bedeutet dies, dass das Gericht einen zeitlich nicht zu kurzen Aufenthalt mit den dadurch entstandenen Bindungen und Integration in die gesellschaftlichen Verhältnisse unter Aufnahme objektiv feststellbarer sozialer Bindungen feststellen muss. Diese Umstände sind umso eher anzunehmen, je länger der Aufenthalt dauert. So wird man aber auch die sofortige Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts zulassen müssen, wenn der Ehegatte bereits bei Antritt im Gerichtsstaat das nachweisliche Ziel längeren Verweilens und sozialer Integration hat.

Es reicht aber nicht, auf den tatsächlichen oder den schlichten Aufenthalt abzustellen. Wann ein zunächst schlicht begründeter Aufenthalt zum gewöhnlichen Aufenthalt wird, ist oft unklar. Der Gesetzgeber nimmt diese Rechtsunsicherheit in Kauf. In der Praxis wird darauf abgestellt, dass der Beginn der Frist mit dem schlichten Aufenthalt einsetzt, wenn sich dieser im weiteren Verlauf zum gewöhnlichen Aufenthalt verdichtet. Hat der Ehepartner als Antragsteller im Scheidungsverfahren seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Gerichtsstaat und hat er sich dort unmittelbar vor der Antragstellung mindestens 1 Jahr ununterbrochen aufgehalten, ist die Zuständigkeit des dortigen Familiengerichts eröffnet.

Was ist, wenn beide Ehepartner die Scheidung beantragen?

Beantragen beide Ehepartner die Scheidung, treten sie miteinander in Konkurrenz und eröffnen in mehreren Mitgliedstaaten die Zuständigkeit der Familiengerichte. Um diese Problematik zu lösen, bestimmt Art. 17 Brüssel IIa-Verordnung, dass das Gericht eines jeden Mitgliedstaats von Amts wegen seine Zuständigkeit zu prüfen hat. Kommt es zur Anknüpfung mehrerer an sich zuständiger Gerichte, setzt das später angerufene Gericht das Verfahren von Amts wegen aus, bis die Zuständigkeit des später angerufenen Gerichts geklärt ist (Prioritätsprinzip).

Ziel ist, parallel verlaufende Antragstellungen und die Zuständigkeit zweier konkurrierender Familiengerichte und das sich daraus ergebende Risiko sich widersprechender Sachentscheidungen zu vermeiden.

Dies bedeutet in der Praxis, dass derjenige Ehepartner, der zuerst den Scheidungsantrag stellt, vorzugsweise behandelt wird und die Richtung des Scheidungsverfahrens bestimmt. Im Sinne der Brüssel IIa-Verordnung gilt das Gericht zu dem Zeitpunkt als angerufen, zu dem der Scheidungsantrag eingereicht ist. Auf die tatsächliche Zustellung an den Ehepartner kommt es nicht an. Allerdings hat der Antragsteller alles zu tun, um das Verfahren auf den Weg zu bringen. So muss er umgehend den Verfahrenskostenvorschuss leisten oder einen Verfahrenskostenhilfeantrag stellen und eine zustellungsfähige Anschrift des Ehegatten oder einen Zustellungsbevollmächtigten benennen.

Alles in allem

Die Entscheidung des EuGH hat selbstverständlich auch Relevanz, wenn Sie in Deutschland leben und binational verheiratet sind. Sind Sie beispielsweise deutscher Staatsangehöriger und leben in Deutschland, kann Ihr Ehepartner mit französischer Staatsangehörigkeit in Frankreich die Scheidung beantragen. Voraussetzung ist, dass er in Frankreich seinen gewöhnlichen Aufenthalt begründet hat. Sind Sie betroffen, sollten Sie sich also frühzeitig anwaltlich beraten lassen. Gerade, weil Sie mit Ihrem Scheidungsantrag die Zuständigkeit eines Familiengerichts begründen. 

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Autor iurFRIEND-Redaktion vgwort-pixel

Datum 9. Februar 2022

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