Das Wichtigste
- Das Scheidungsrecht war im Laufe der Jahrhunderte immer wieder Änderungen unterworfen und hat sich der gesellschaftlichen Entwicklung angepasst. Dies betrifft auch die Wertung des Ehebruchs.
- Nach heutigem Moralverständnis beruht das Scheidungsrecht ausschließlich auf dem Zerrüttungsprinzip. Danach kommt es nur darauf an, dass die Ehe gescheitert ist.
- Das Zerrüttungsprinzip hatte das Verschuldensprinzip abgelöst. Und damit auch den Ehebruch als Scheidungsgrund.
- Im Mittelalter galt die Ehe unter Christen als unauflöslich.
- Ehebruch spielt nur noch ausnahmsweise in Härtefällen eine Rolle, wenn einem Ehepartner der Ablauf des Trennungsjahres nicht zuzumuten ist.
- Ein Härtefall setzt Gründe in der Person des Partners voraus, die es dem anderen unzumutbar machen, die Ehe bis zum Ablauf des Trennungsjahres formal aufrechtzuerhalten.
- Härtefälle lassen sich letztlich nur am Beispiel verdeutlichen. Ehebruch kann, muss aber nicht einen Härtefall rechtfertigen.
Scheidungsrecht hängt vom Eheverständnis ab
Um zu verstehen, warum Ehebruch für die Scheidung nur noch ausnahmsweise Relevanz hat, ist ein Blick auf die Entwicklung des Scheidungsrechts hilfreich. Seit Jahrhunderten wird darüber nachgedacht, nach welchen Grundsätzen eine Ehe geschieden werden kann. Die Antwort hängt vom Eheverständnis ab, das sich über die Jahrhunderte hinweg entwickelt hat und immer wieder politisch und religiös umstritten war.
Im Scheidungsrecht gilt das Zerrüttungsprinzip
Heute kommt es nicht mehr darauf an, wer Schuld trägt. Sie brauchen keinen vom Partner verschuldeten Scheidungsgrund mehr. Das Gesetz kennt heute nur noch einen Anlass für die Scheidung, nämlich das Scheitern der Ehe. Man spricht vom Zerrüttungsprinzip, wenn die Ehe gescheitert ist. Eine Ehe gilt als gescheitert, wenn die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht und nicht mehr zu erwarten ist, dass die Ehegatten sie wiederherstellen wollen (§ 1565 BGB). Es bleibt zunächst vollkommen unerheblich, ob die Zerrüttung der Ehe auf dem Verschulden eines Ehegatten beruht. Allein die bloße Tatsache, dass die geistig-sittlichen Grundlagen einer Ehe bei einem oder beiden Ehegatten nachhaltig zerstört sind, begründet, dass die Ehe gescheitert ist und geschieden werden kann. Auch derjenige, der das Scheitern der Ehe selbst, beispielsweise durch Ehebruch, verschuldet hat, kann die Scheidung verlangen und sie letztlich auch gegen den Willen des Partners durchsetzen.
Verschuldensprinzip
Früher galt noch das Verschuldensprinzip. Es beruhte auf dem Gedanken, dass schwere Pflichtverletzungen eines Ehepartners den anderen berechtigten, die Scheidung zu verlangen. Das Recht zur Scheidung war damit die Reaktion auf Unrecht während der Ehe. Das Verschuldensprinzip wurde 1976 durch das dem gesellschaftlichen Verständnis angepasste Zerrüttungsprinzip abgelöst.
Historisch interessant: im Mittelalter war die Ehe unauflöslich
Im Mittelalter wurde die Ehe vorrangig nach religiösen Aspekten beurteilt. Die Kirche des Mittelalters verbot bedingungslos die Ehescheidung. Eine Ehe unter Christen konnte nur durch den Tod, nicht aber durch die Scheidung, aufgelöst werden. War das eheliche Verhältnis der Ehepartner nachhaltig gestört, kam nur die Trennung von Tisch und Bett ohne die Auflösung der Ehe in Betracht. Auf diesem Standpunkt steht die katholische Kirche bis heute.
Ehebruch als Härtefall
Im Regelfall kann die Ehe frühestens nach Ablauf des Trennungsjahres und spätestens nach drei Jahren auch gegen den Willen des Partners geschieden werden. Für manchen Ehepartner scheint das Trennungsjahr als eine unendlich lange Zeit. Noch schwieriger ist es, wenn der Ehepartner die Scheidung verweigert und Sie drei Jahre abwarten müssten, um sich auch gegen den Willen des Partners scheiden lassen zu können. Wenn Sie die Trennung mental und emotional vollzogen haben, wünschen Sie sich vielleicht nichts dringlicher, als dass die Ehe auch formal durch eine Scheidung aufgelöst wird. Es gibt aber auch Lebenssituationen, in denen es einem Ehepartner nicht zugemutet werden kann, den Ablauf des Trennungsjahres abwarten zu müssen. In diesen Fällen erkennt das Gesetz ausdrücklich einen Härtefall an. Als Härtefall kommt in seltenen Fällen auch Ehebruch in Betracht.
Was ist ein Härtefall?
Einen Härtefall definiert § 1565 Abs. II BGB als eine Situation, in der die Ehe vor Ablauf des Trennungsjahres nur geschieden werden kann, „wenn die Fortsetzung der Ehe für den Antragsteller aus Gründen, die in der Person des anderen Ehegatten liegen, eine unzumutbare Härte darstellen würde.“ Wann eine solche Ausnahmesituation vorliegt, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Aus dem Wortlaut des Gesetzes lässt sich bereits entnehmen, dass pauschale Aussagen nicht möglich sind.
Beispiele, wann ein Härtefall vorliegt und wann nicht
Beispiel 1:
In einem Fall des OLG Köln (Beschluss v. 9.10.2002, Az. 27 WF 187/02) nahm ein Ehepaar die Schwester der Ehefrau vorübergehend in die Ehewohnung auf. Der Ehemann begann mit der Schwester ein außereheliches Verhältnis und zog mit ihr in eine andere von drei Wohnungen eines Mehrfamilienhauses. Da sich die Ehefrau dadurch gedemütigt fühlte, erkannte das Gericht einen Härtefall und gewährte die sofortige Scheidung. Der Härtefall wurde damit begründet, dass die Ehefrau das ehebrecherische Verhältnis tagtäglich greifbar vor Augen hatte, ihre Eltern in der Nachbarschaft wohnten und man sich in der kleinen Gemeinde, in der man wohnte, nicht aus dem Weg gehen konnte. Auch sei sie durch den Ehebruch des Ehegatten erheblich emotional verletzt worden.
Beispiel 2:
Das OLG Stuttgart (Beschluss v. 17.9.2015, Az. 11 UF 76/15) erkannte einen Härtefall an, in dem ein Ehepartner trotz der lebensbedrohlichen Erkrankung des anderen Ehebruch beging und sich mit der neuen Partnerin in der Öffentlichkeit zeigte. Das Gericht verwies darauf, dass der Ehebruch allein noch keinen Härtefall darstelle, im Hinblick auf die persönliche Situation der Ehefrau aber besonders verletzend gewesen sei. Obwohl die Ehefrau nur noch palliativ behandelt wurde und keinerlei Perspektiven für die Zukunft mehr hatte, habe der Ehemann bereits ein neues Leben mit einer neuen Partnerin geplant. Es sei der Ehefrau nicht zuzumuten gewesen, das Trennungsjahr abwarten zu müssen.
Beispiel 3:
Das OLG Köln (Beschluss v. 28.11.1991, Az. 14 WF 228/91) lehnte hingegen einen Härtefall ab. In diesem Fall lebte und wohnte der Ehegatte mit einer neuen Partnerin zusammen. Das Gericht verwies darauf, dass allein das Zusammenleben mit einer neuen Partnerin noch keine sofortige Scheidung rechtfertige, da allein dadurch noch keine außergewöhnlichen Anhaltspunkte für eine unzumutbare Härte begründet werden können. Der Ehebruch sei allenfalls ein Zerrüttungsgrund für die Ehe und begründe deren Scheitern, begründe aber noch keinen Ausnahmetatbestand für einen Härtefall.
Fazit
Härtefälle, die eine Scheidung vor Ablauf des Trennungsjahres rechtfertigen, sind Ausnahmefälle. Wenn Sie bei Ehebruch die Scheidung vorzeitig realisieren wollen, müssen Sie zur Überzeugung des Richters vortragen, warum Ihnen die Fortsetzung der Ehe bis zum Ablauf des Trennungsjahres nicht zuzumuten ist. Sie brauchen also schon gute Gründe, um von der Regel des Trennungsjahres abzuweichen. Der Wunsch allein genügt dafür nicht.