Inwieweit ist Mediation für Elternteile vor der Scheidung verpflichtend?
Entscheidungen in Angelegenheiten, in denen es um das Wohl und das Interesse eines Kindes geht, sind immer ein Spagat, der den Interessen aller Beteiligten, also der des Kindes und der beiden Elternteile, gerecht werden muss. Für solche Streitigkeiten bestimmt das Familienverfahrensgesetz eine Stufenfolge, nach der das Familiengericht auf eine Verständigung der Elternteile hinarbeiten soll. Wenn Sie Ihre Scheidung als binationales Paar in Deutschland nach deutschem Recht abwickeln, kommt es auf Folgendes an:
Idealerweise verständigen sich die Elternteile
Das Familienverfahrensrecht bestimmt, dass das Gericht in Streitigkeiten, die das gemeinsame Kind betreffen, zunächst in jeder Lage des Verfahrens auf ein Einvernehmen der Beteiligten hinwirken soll (§ 156 FamFG). Bestenfalls gelingt ein Einvernehmen. Geht es beispielsweise um das Umgangsrecht, kann das Gericht die einvernehmliche Regelung der Eltern als Vergleich aufnehmen und die Einigung in einem Beschluss billigen. Ziel dabei ist, im Interesse des Kindes eine eigenständige Konfliktlösung durch die Elternteile zu fördern.
Wichtig zu wissen: Das Familienverfahrensgesetz spricht von Kindschaftssachen. Kindschaftssachen sind Rechtsstreitigkeiten von Elternteilen, die die elterliche Sorge bei Trennung und Scheidung, den Aufenthalt des Kindes, das Umgangsrecht oder die Herausgabe des Kindes betreffen.
Beratung durch die Träger der Kinder- und Jugendhilfe
Gelingt es den Eltern auch unter Vermittlung des Familiengerichts nicht, sich einvernehmlich zu verständigen, kann das Familiengericht auf die Möglichkeiten der Beratung durch die Beratungsstellen und Beratungsdienste der Träger der Kinder- und Jugendhilfe verweisen. Diese Beratung ist noch nicht mit einer Mediation gleichzusetzen. Beratung alleine beinhaltet noch nicht unbedingt eine Konfliktlösung. Die Konfliktlösung kann sich allenfalls auf dem Hintergrund der Beratung und der damit verbundenen Information durch die Verständigung der Elternteile mehr oder weniger selbst ergeben.
Der Gesetzgeber verbindet damit die Vorstellung, dass die Streitbeilegung unter Vermittlung der außergerichtlich tätigen Beratungsstellen entscheidend dazu beitrage, die Belastung des Kindes und der Eltern zu reduzieren. Vor allem gilt es, ein streitiges gerichtliches Verfahren mit Anhörungen von Kind und Eltern, Sachverständigengutachten und Ermittlungen des Jugendamtes möglichst zu vermeiden.
Das Familiengericht kann die Eltern allenfalls zur Teilnahme einer Beratung verpflichten (§ 156 Abs. I S. 3 FamFG). Eine solche Beratungspflicht kommt in Betracht, wenn eine Einigung im ersten gerichtlichen Termin nicht erzielt werden kann. Das Problem dabei ist, dass die Anordnung nicht mit Zwangsmitteln durchsetzbar ist. Weigert sich ein Elternteil, an einer solchen Beratungsmaßnahme teilzunehmen, kann das Gericht nur versuchen, die Angelegenheit nochmals mit diesem Elternteil und dem Jugendamt zu beraten und sich bemühen, eine Verhaltensänderung herbeizuführen. Ein Druckmittel hat das Gericht insoweit, als es den sich weigernden Elternteil darauf hinweist, dass er bei fortbestehender Weigerung die Verfahrenskosten für die gerichtliche Auseinandersetzung alleine tragen muss.
Anordnung der Mediation
Neben dem Hinweis auf die Beratung durch die Träger der Jugendhilfe kann das Familiengericht in geeigneten Fällen auch auf andere Möglichkeiten der außergerichtlichen Streitbeilegung hinweisen. Dabei kommt vornehmlich die Mediation in Betracht. Die Teilnahme an einer Mediation kann das Gericht aber nicht anordnen. Der Gesetzeswortlaut ist insoweit unmissverständlich. Das Gesetz ermöglicht es den Gerichten nur, dass die Eltern einzeln oder gemeinsam an einem kostenfreien Informationsgespräch über Mediation teilnehmen, nicht aber an einer Mediation als solcher (§ 156 Abs. I S. 3 FamFG).
Was spricht gegen eine verpflichtende Mediation?
Soll eine Mediation Erfolg haben und eine Verständigung der Elternteile ermöglichen, sind beide Elternteile gefordert. Gerade in Kindschaftssachen stehen sich die Elternteile oft in unversöhnlicher Art und Weise gegenüber. Jeder Elternteil glaubt, im Interesse des Kindes zu handeln. In Wirklichkeit ist das Interesse des Kindes nur vorgeschoben. Es geht teils um
- Rachegefühle gegenüber dem Ex-Partner oder der Ex-Partnerin,
- Uneinsichtigkeit,
- Kompromisslosigkeit
- und oft die Unfähigkeit, gerade in der Situation von Trennung und Scheidung in der Perspektive zu denken.
Wollte der Gesetzgeber unter diesen Prämissen eine verpflichtende Mediation vorschreiben, würde die Mediation in vielen Fällen ins Leere verlaufen. Es wäre von vornherein klar, dass die Teilnahme an einer Mediation wenig erfolgversprechend ist und es im Interesse des Kindes liegt, wenn das Familiengericht sofort eine verbindliche Entscheidung trifft.
Daran würde sich nichts ändern, wenn das Familiengericht die Anordnung der Mediation mit Zwangsmitteln durchsetzen und einen widerspenstigen Elternteil unter Androhung und Verhängung von Ordnungsgeld zur Teilnahme an einer Mediation verpflichten könnte. In Familienrechtsstreitigkeiten könnte sich genau das Gegenteil einstellen. Der unter Zwang handelnde Elternteil könnte sich veranlasst sehen, jetzt erst recht auf seiner Meinung zu bestehen und sich jeglicher Einflussnahme von außen zu verweigern.
Ist der Erfolgt einer Mediation offensichtlich hochgradig unwahrscheinlich, ginge viel Zeit verloren, auch wenn das Familiengericht gesetzlich verpflichtet ist, in der Regel nach spätestens drei Monaten das Verfahren wieder aufzunehmen (§ 155 Abs. IV FamFG).
Was spricht für eine verpflichtende Mediation?
Andererseits ist anfangs nicht unbedingt erkennbar, ob Elternteile in ihren Meinungen so verfestigt sind, dass es ausgeschlossen erscheint, hieraus Auswege zu finden. Insoweit könnte Mediation eine Chance darstellen, Elternteile aus ihrer emotionalen Enge herauszuholen und sich im Hinblick auf das Interesse und das Wohl des gemeinsamen Kindes zu verständigen. Soweit der Gesetzgeber also auf die verpflichtende Teilnahme an einer Mediation vor der Scheidung verzichtet, unterstellt er eigentlich von vornherein, dass eine Teilnahmepflicht stets kontraproduktive Wirkung entfaltet.
Dieses Argument entkräftet sich aber wiederum dadurch, als das Familiengericht durchaus indirekt und mittelbar Zwang auf einen widerspenstigen Elternteil ausüben kann. Verweigert sich ein Elternteil jeglicher Einflussnahme, muss es mit der Entscheidung klarkommen, die das Gericht trifft.
Warum kann eine Mediation trotzdem konstruktiv sein?
Auch wenn Sie das Familiengericht wegen einer Kindschaftssache nicht zur Teilnahme an einer Mediation vor der Scheidung verpflichten kann, könnte es trotzdem konstruktiv sein, wenn Sie sich einer solchen Mediation stellen. Die wichtigsten Argumente dafür sind:
- Vor allem dann, wenn Sie damit rechnen müssen, dass das Familiengericht aufgrund des bestehenden Sachstandes nicht in Ihrem Sinne entscheidet, könnte die Mediation Wege aufzeigen, dass auch Ihr Interesse besser gewichtet wird.
- Wenn Sie unter Vermittlung eines Mediators über Ihre Gefühle und Wünsche im Hinblick auf den Umgang mit Ihrem Kind offener sprechen können, als wenn Sie alleine mit dem Ehepartner sprechen, könnten sich Lösungen aufzeigen, die Ihnen ansonsten verschlossen bleiben.
Sie sollten also eine Mediation, auch wenn Sie nicht verpflichtend vorgeschrieben werden kann, trotzdem als eine Option betrachten, auf die Sie nicht von vornherein verzichten sollten.
Alles in allem
In Rechtsstreitigkeiten, die Angelegenheiten Ihres gemeinsamen Kindes betreffen, sollte allein das Wohl des Kindes im Blickpunkt stehen. Das Gericht kann sich hierzu der Hilfe des Jugendamtes bedienen und ein Sachverständigengutachten anordnen. Sie als Eltern können im Rahmen einer Mediation eine außergerichtliche Lösung herbeiführen und sicherstellen, dass alle Interessen berücksichtigt werden. Geht es um eine binationale Scheidung, ist es hilfreich, wenn der Mediator auch mit den zusätzlichen sprachlichen und kulturellen Besonderheiten arbeiten kann.