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Scheidung

Keine Scheidungen im Schnellverfahren, oder vielleicht doch?

Superidee oder Schnapsidee? Der Bundesverband der Deutschen Standesbeamten hatte den Versuch unternommen, das Scheidungsrecht so zu gestalten, dass es Ehescheidungen im Schnellverfahren erlaubt. Für die Scheidung sollten, wie für die Eheschließung auch, Standesbeamte zuständig sein. Grund für den Vorstoß ist der Verweis auf andere EU-Länder. In Spanien, Italien und Griechenland wird die Scheidung als reiner Verwaltungsakt betrachtet, vorausgesetzt, die Scheidung verläuft einvernehmlich und das Paar hat keine minderjährigen Kinder.

Vorteilhaft dabei sei, dass eine derartige Scheidung beispielsweise in Spanien gerade mal 50 EUR Gebühren koste, während für eine vergleichbare Scheidung in Deutschland hohe Anwaltshonorare und Gerichtsgebühren fällig seien. Das Bundesministerium der Justiz hält den Vorstoß jedoch für nicht praktikabel.

Die Frage ist also, was spricht für und was spricht gegen Scheidungen im Schnellverfahren? Wer die Antwort allein im Hinblick auf die mit einer Scheidung verbundenen Kosten begründet, greift zu kurz und erfasst nicht die Aspekte, die mit einem Scheidungsverfahren regelmäßig verbunden sind. Insoweit lässt sich die Thematik auch nicht mal eben mit drei Sätzen abhandeln.

Kritik muss erlaubt sein, aber auch aus jeder Richtung

Wenn es den Wunsch nach einer Express-Scheidung gibt, muss man davon ausgehen, dass es dafür Gründe gibt, die nicht direkt von der Hand zu weisen sind. Konstruktive Ideen sind immer gut. Allein jedoch der Hinweis, andere EU-Länder würden eine Vorreiterrolle übernehmen und Deutschland hinke der Entwicklung hinterher, ist ein Scheinargument. Wenn man eine Vorreiterrolle annimmt, bedeutet dies noch lange nicht, dass jene Wege richtig sind und all das, was wir in Deutschland für richtig halten, falsch wäre.

Wenn die Standesbeamten die Kostenvorteile und den Arbeitsaufwand der Familiengerichte als Argumente bemühen, blenden sie all die Aspekte aus, die regelmäßig im Scheidungsverfahren eine wichtige Rolle spielen. Scheidungen sind eben mehr als ein bloßer Verwaltungsakt. Es geht um die Abwicklung der ehelichen Lebensgemeinschaft und all dessen, was die Ehepartner über vielleicht Jahre hinweg aufgebaut und gemeinsam erwirtschaftet haben. Soweit sich ein Ehepartner in einer sozial oder wirtschaftlich schwächeren Position befindet, muss er oder sie die Möglichkeit haben, sich gegen den eventuell stärkeren Partner zu behaupten. Mit einem Standesbeamten an der Seite, dürfte ihm oder ihr dies kaum gelingen.

Die Diskussion kann nur sachgerecht geführt werden, wenn moralische Werte und rechtliche Aspekte einbezogen und abgewogen werden. Es lässt sich auch nicht vermeiden, dass in eine solche Diskussion ideologische Werte einfließen, die sich aus einer liberalen oder vielleicht eher konservativen Weltsicht ableiten. Auch darf die Diskussion nicht einseitig mit dem Argument geführt werden, dass vornehmlich Rechtsanwälte von Scheidungsverfahren profitieren und die Gerichte unnötigerweise belastet werden.

Welche Werte verbinden Paare mit der Ehe?

Wer darüber diskutiert, eine Ehe im Schnellverfahren zu scheiden, muss sich die Frage beantworten, welche Werte er mit der Ehe verbindet. Dies fängt schon mit der Vorstellung an, dass wir hierzulande Ehen, die in Las Vegas geschlossen werden, moralisch kritisch betrachten und diese eher als Konsumgut geringschätzen. Wer in Las Vegas heiratet, muss sich auf die Frage gefallen lassen, mit welchen Wertvorstellungen er eine Ehe betrachtet und nach welchen Maßstäben er eine solchermaßen per Express geschlossene Ehe führen möchte.

Immerhin ist die Ehe eine althergebrachte Institution, auf der sich unsere Gesellschaft über die Jahrhunderte hinweg entwickelt hat und auf der das menschliche Zusammenleben auch heute noch weitgehend aufgebaut ist. Wollte man eine solche auf einem hohen moralischen Werteniveau geschlossene Ehe einfach mal eben so auflösen, würde dieses Werteniveau weitgehend entwertet. Die Ehe würde der Beliebigkeit ausgesetzt. Wozu sollten Paare überhaupt noch die Eheschließung vollziehen? Sie könnten dann auch unverheiratet bleiben und eine nichteheliche Lebensgemeinschaft begründen. Wenn Sie dennoch heiraten, verbinden die Partner damit die Vorstellung, dass ihre Eheschließung die Zuneigung füreinander dokumentiert und die Grundlage dafür bietet, auf einer zuverlässigen, vorausschaubaren und kalkulierbaren Grundlage in ein gemeinsames Leben zu starten. Kein Ehepartner braucht die Befürchtung zu haben, dass der andere über Nacht aus der Ehe aussteigt.

Wer die Ehe in einem Schnellverfahren abwickeln will, gibt die Ehe der Beliebigkeit preis. Natürlich ist es richtig, dass jeder Mensch über sein Leben selbst entscheidet. Wenn aber die Möglichkeit besteht, nach Belieben aus der Ehe auszusteigen, dürfte auch die Bereitschaft steigen, diese Entscheidung schneller herbeizuführen, als wenn die Ehe nach vorgegebenen Maßstäben abgewickelt wird.

Welchen Zweck verfolgt das Scheidungsrecht in Deutschland?

Unser Scheidungsrecht, so wie es im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt ist, baut auf jahrhundertealten Erfahrungen auf, die fortlaufend diskutiert und Eingang in die gesetzlichen Regelungen gefunden haben. Über die Details lässt sich selbstverständlich immer diskutieren. Zentrale Grundlage all dieser gesetzlichen Regelung sind jedoch Aspekte, die sich vornehmlich daraus ergeben, dass mit einer Scheidung immer die Abwicklung der ehelichen Lebensgemeinschaft einhergeht. Für diese Abwicklung muss es Regeln geben. Gäbe es diese Regeln nicht, wäre es kaum möglich, die eheliche Lebensgemeinschaft so abzuwickeln, dass kein Ehepartner unangemessen benachteiligt oder bevorzugt wird.

Ist eine Schnellscheidung der richtige Weg?          

Es hört sich zugegebenermaßen gut an, einfach zum Standesamt zu gehen und sich dort mal eben scheiden zu lassen. Dafür wird vornehmlich das Argument angeführt, dass diese Art der Scheidung nur für Paare in Betracht komme, die sich ohne jeglichen Streit einvernehmlich scheiden lassen und keine minderjährigen Kinder haben. Im Idealfall mag das funktionieren. Die Wirklichkeit dürfte aber eine andere sein. Diese Wirklichkeit sollte man nicht versuchen, schönzureden.

Scheidungsfolgen sollten im Verbund mit der Scheidung geregelt werden

Das Scheidungsrecht in Deutschland verfolgt das zentrale Anliegen, nicht nur die Scheidung herbeizuführen, sondern alle mit einer Scheidung verbundenen Scheidungsfolgen im direkten Zusammenhang mit der Scheidung zu regeln. Es erweist sich als wenig sachgerecht, wenn der Familienrichter die Scheidung beschließt und sich die Ehepartner Monate oder vielleicht Jahre nach der Scheidung über Zugewinnausgleichsansprüche oder Ehegattenunterhalt auseinandersetzen. Im Scheidungsrecht wird dieser Zusammenhang als Verbundverfahren bezeichnet. Die Scheidung wird im Verbund mit eventuell klärungsbedürftigen Scheidungsfolgen herbeigeführt. Man schmiedet das Eisen, solange es heiß ist. Das Verbundverfahren erübrigt sich, wenn die Ehepartner die Scheidungsfolgen in einer Scheidungsfolgenvereinbarung regeln.

Selbst wenn sich Ehepartner offensichtlich einig sind, dass sie einvernehmlich und ohne jeden Streit geschieden werden wollen und auch eventuelle Ansprüche wegen der Scheidung einvernehmlich regeln, können die Konsequenzen einer angedachten Scheidung vor dem Standesbeamten unvorhersehbar sein. Standesbeamte sind Standesbeamte. Sie wissen nichts rechtlich Verbindliches von Zugewinnausgleich, Versorgungsausgleich oder Ehegattenunterhalt. Auch Ehepartner wissen regelmäßig nichts oder wenig davon, was beispielsweise Versorgungsausgleich bedeutet, welche Ansprüche sich aus dem Zugewinnausgleich ergeben könnten oder unter welchen Voraussetzungen Ehegattenunterhalt zu beanspruchen oder zurückzuweisen ist.

Allein schon der Versorgungsausgleich ist ein Gebot der Stunde

Wird der Versorgungsausgleich bei der Scheidung nicht geregelt, kann dies im ungünstigsten Fall dazu führen, dass ein Ehepartner im Alter auf Rentenansprüche verzichten muss, die er eigentlich haben könnte, wenn er den Versorgungsausgleich bei der Scheidung geregelt hätte. Allein aus diesem Grund schreibt der Gesetzgeber vor, dass der Familienrichter den Versorgungsausgleich von Amts wegen durchzuführen hat. Würde man den Versorgungsausgleich allein den Ehepartnern überlassen, könnte die Konsequenz darin bestehen, dass ein Ehepartner im Alter auf öffentliche Leistungen zu Lasten der Gesellschaft angewiesen wäre, während der Ex-Partner sich der Verantwortung entziehen könnte.

Schnellscheidung dürfte missbrauchsanfällig sein

Eine Schnellscheidung könnte auch dem Missbrauch Tür und Tor öffnen. Der sozial schwächere Partner könnte sich Erpressungsversuchen ausgesetzt sehen, wenn er der scheinbar einvernehmlichen Scheidung vor dem Standesbeamten nicht zustimmt. Er könnte sich vielleicht Rechte, die das Scheidungsrecht für ihn vorhält, unter Wert abkaufen lassen. Ein Standesbeamte dürfte kaum die Kompetenz dafür haben, die mit der Abwicklung einer Lebensgemeinschaft verbundenen Rechte und Pflichten zuverlässig einzuschätzen. Auch wenn die Ehepartner die Scheidungsfolgen in einem Ehevertrag regeln, hat der Familienrichter immer noch die Aufgabe, den Ehevertrag inhaltlich daraufhin zu überprüfen, dass die Interessen eines Ehepartners nicht in unangemessener Art und Weise in den Hintergrund gedrängt werden. Ein Standesbeamter hätte diese Kompetenz nicht.

Rechtsanwälte sind ein Organ der Rechtspflege

Wer sich einer einvernehmlichen Scheidung vor dem Standesbeamten preisgibt, verzichtet auf die Information und Beratung, die er eigentlich unabdingbar benötigt, um seine Scheidung verantwortungsvoll umzusetzen. Dass Rechtsanwälte einbezogen sind und im Scheidungsverfahren mit hohen Gebühren honoriert werden, kann kein Argument sein, dem Ehepartner die mit der Scheidung verbundenen Rechte und Pflichten vorzuenthalten. Würde ein Ehepartner nach einer standesamtlichen Scheidung feststellen, dass er benachteiligt wurde, wäre der Aufschrei groß. Wer nach der Scheidung versucht, ehebedingte Nachteile geltend zu machen, dürfte erhebliche Schwierigkeiten haben, seine Ansprüche überzeugend darzulegen und zu beweisen. Allein dieser Umstand ist Grund genug, eventuelle Scheidungsfolgen im direkten Zusammenhang mit der Scheidung zu regeln. Insoweit sind Rechtsanwälte als ein Organ der Rechtspflege zu verstehen, denen der Gesetzgeber gerade die Aufgabe übertragen hat, den Bürger als Mandanten angemessen über seine Rechte und Pflichten zu informieren und zu beraten. Ein Standesbeamter kann diese Aufgabe nicht erfüllen.

Auch jetzt ist eine schnelle Scheidung bereits möglich

Sind sich die Ehepartner einig, können sie sich auch jetzt schon relativ schnell scheiden lassen. Die verantwortungsvolle Abwicklung der Lebensgemeinschaft wird dadurch abgesichert, dass ein Ehepartner den Scheidungsantrag über einen Rechtsanwalt stellt und das Familiengericht die Scheidungsvoraussetzungen prüft. So wird einigermaßen gewährleistet, dass ein Ehepartner sich zumindest im Ansatz über die mit der Scheidung verbundenen Rechte und Pflichten informieren und gegebenenfalls beraten lassen kann. Wer dann eventuelle Scheidungsfolgen außergerichtlich in einer Scheidungsfolgenvereinbarung regelt, erreicht eine schnelle Auflösung seiner Ehe. Für eine Blitzscheidung oder Express-Scheidung vor dem Standesbeamten dürfte insoweit kein wirklicher Bedarf bestehen.

Alles in allem

Konstruktive Ideen sind gut. Viele Ideen beruhen aber nur auf vermeintlichen Vorteilen, die sich bei näherer Betrachtung als nachteilig und oft auch als unsinnig herausstellen. Da die Abwicklung einer Lebensgemeinschaft mit einer großen Verantwortung für sich selbst, den Ehepartner und die eventuell vorhandenen eigenen Kinder verbunden ist, sollte sich niemand der Illusion hingeben, man könne all das in einem Schnellverfahren erledigen. Insoweit ist dieser Textbeitrag durchaus als Plädoyer für die Scheidung unter Einbeziehung von wenigstens einem Rechtsanwalt und dem Familiengericht zu verstehen, auch wenn dieses Verfahren durchaus entwicklungsfähig und verbesserungswürdig ist.

Artikel-Informationen

Autor Volker Bellaire vgwort-pixel

Datum 22. November 2019

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