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Scheidung

Brexit: Große Unsicherheit für Deutsch-Britische Paare

Der Brexit verursacht Chaos. Gewachsene Strukturen zerbröseln praktisch über Nacht. Wer als deutsch-britisches Ehepaar verheiratet ist, fragt sich, welche Auswirkungen der Brexit auf das Aufenthalts- und Scheidungsrecht hat. Da die Briten selbst nicht wissen, ob es Tag oder Nacht ist und Sie dort kaum verlässliche Antworten finden werden, versuchen wir aufzuzeigen, wo es für Sie langgeht.

Annulliert der Brexit unsere Ehe?

Die Nachricht war brisant: Deutsch-britische Ehen sollten durch den Brexit passend zur Trennung von Großbritannien und der Europäischen Union zwangsgeschieden werden. Allerdings stammte die Meldung vom 1.4.2019 und war als Aprilscherz verbreitet worden (TAZ v. 1.4.19). Sie führte zu einiger Verwirrung. Immerhin sollen allein in Berlin 18.000 Briten und ihre meist deutschen Ehepartner leben.

Gäbe es eine solche Zwangsscheidung, würde sich mit der automatischen Annullierung der Ehe eine Scheidung erübrigen. Ehepaare, die sich Treue bis in den Tod geschworen hatten, würden sich in wilder Ehe wiederfinden. Zum Glück war alles nicht ernst gemeint. Also: Um es vorwegzunehmen, Ihre deutsch-britische Ehe bleibt trotz eines Brexits so wie sie ist. Sie bleiben verheiratet.

Was sollten wir wegen einer Scheidung jetzt tun?

Die Antwort wird Sie wenig zufriedenstellen: Warten Sie ab. Derzeit ist alles im Fluss. Kaum jemand weiß zuverlässig, was nach dem Brexit passieren wird. Mithin wird es wohl auch darauf ankommen, ob es einen geregelten Austritt (Deal) oder einen ungeregelten Austritt (No-Deal) Großbritanniens aus der Europäischen Union gibt. Bei einem geregelten Austritt sollte es wie auch immer geartete Übergangsregelungen geben, nach denen Scheidungen abgewickelt werden und das Aufenthaltsrecht britischer Staatsangehöriger in Deutschland geregelt wird. Sollte der Austritt tatsächlich ungeregelt vonstattengehen, wäre Großbritannien als Drittstaat zu betrachten, dessen Staatsangehörige den gleichen Status hätten, wie Staatsangehörige aus China, Salvador oder Grönland. Ihr britischer Ehepartner müsste sich also um einen Aufenthaltstitel in Deutschland bemühen. Um sicherzugehen, sollte Ihr Ehepartner also entsprechende Maßnahmen ergreifen.

Wie steht es um das Scheidungsrecht in Großbritannien?

Möchten Sie sich in Großbritannien scheiden lassen, besteht derzeit das Problem, dass Sie als Antragsteller beweisen müssen, dass Ihr Ehepartner durch „Ehebruch“, „böswilliges Verlassen“ oder „unvernünftiges Verhalten“ Ihre Trennung und Scheidung verschuldet hat. Gelingt ihnen der Nachweis nicht zur Überzeugung des Gerichts und verweigert Ihr Ehepartner die einvernehmliche Scheidung, lässt sich die Scheidung erst nach fünf Jahren Trennungszeit vollziehen. Sollte die Scheidung einvernehmlich erfolgen, erfordert Ihre Scheidung trotzdem zwei Jahre Bedenkzeit. Um dieses überkommene Verschuldensprinzip abzuschaffen, ist der britische Gesetzgeber derzeit bemüht, das Scheidungsrecht zu reformieren. Künftig sollen Scheidungen schneller und ohne Nachweis von Schuld vollzogen werden können. Damit soll verhindert werden, dass ein Ehepartner den Scheidungswunsch des anderen blockiert und sich das Scheidungsverfahren in einer Schlammschlacht und dem Waschen schmutziger Wäsche vor Gericht als Schreckgespenst erweist.

Außerdem ist London als „Divorce Capital of the World“ bekannt. Englische Richter erweisen sich immer wieder als sehr großzügig und sprechen meist weiblichen Ehepartnern extreme Vermögensausgleichsansprüche zu. So gibt es im englischen Recht auch noch das Modell der lebenslangen Versorgung, so dass der Mann die Frau lebenslang unterhalten muss. Bei einer Scheidung in Großbritannien können Sie diesen Rechtsrahmen auch nicht vermeiden, da Sie nicht die Möglichkeit einer Rechtswahl haben. Großbritannien hat die dafür maßgebliche EU-Verordnung Nr. 2201/2003 leider nicht unterschrieben.

Sollte ich mich in Deutschland scheiden lassen?

Die Erkenntnis aus der Bewertung englischen Rechts ist völlig klar: Wenn, dann sollten Sie sich in Deutschland scheiden lassen. In Deutschland zählt allein das Zerrüttungsprinzip, so dass Sie sich nicht wegen ehelicher Verfehlungen auseinandersetzen müssen. Dieser Weg schont Nerven, Geld und Zeit.

Auch wenn Ihr Ehepartner britischer Staatsangehöriger ist, werden Sie vor einem deutschen Familiengericht nach deutschem Scheidungsrecht geschieden. Aber, jetzt kommt‘s: Sie sollten den Scheidungsantrag möglichst schnell in Deutschland einreichen. Soweit Ihr britischer Ehepartner wegen Ihrer Trennung nach Großbritannien zurückgekehrt ist und dort den Scheidungsantrag stellt, begründet er die Zuständigkeit des englischen Scheidungsgerichts. Die Konsequenz wäre, dass Ihr Scheidungsverfahren nach englischem Recht abgewickelt wird. Sie vermeiden dieses Dilemma, wenn Sie in Deutschland den Scheidungsantrag einreichen und damit die vorrangige Zuständigkeit eines deutschen Gerichts begründen.

Möchten Sie zudem auf der rechtlich sicheren Seite sein, sollten Sie mit Ihrem Ehepartner möglichst eine Rechtswahl-Vereinbarung treffen und darin für Ihr Scheidungsverfahren die Anwendung deutschen Rechts vereinbaren. Eine solche Vereinbarung wäre notariell zu beurkunden. Bestenfalls beziehen Sie eine solche Vereinbarung in eine Scheidungsfolgenvereinbarung ein, mit der Sie in Deutschland Ihr einvernehmliche Scheidung ermöglichen.

Wie steht es um das Aufenthaltsrecht meines Ehepartners in Deutschland?

Sind Sie mit einem britischen Staatsangehörigen verheiratet und leben in Deutschland, hat der Ehepartner automatisch eine Aufenthaltsgenehmigung, wenn Ihre Ehe bis zur Beantragung Ihrer Scheidung fünf Jahre bestanden hat oder der Ehepartner das Sorgerecht für das gemeinsame Kind hat oder Sie ein Umgangsrecht haben und ein Gericht in einem Beschluss klar zum Ausdruck brachte, dass dieses Umgangsrecht nur in Deutschland wirksam ausgeübt werden könne.

Lebt Ihr Ehepartner weniger als fünf Jahre in Deutschland, wäre er oder sie für den Fall eines No-Deal-Brexit als Drittstaatler zu behandeln. Die Folge wäre, dass für alle Briten in Deutschland ausländerrechtliche Vorschriften gelten, so wie sie aktuell auch für Nicht-EU-Bürger gelten. Dies bedeutet, dass Ihr britischer Ehepartner nach einer dreimonatigen Übergangsfrist sich um eine Aufenthaltserlaubnis bemühen müsste. Eine solche ist zeitlich beschränkt und kann im Hinblick auf familiäre Gründe ausgestellt werden.

Konkret: Was sollten jetzt tun?

Sie sollten sich zunächst darüber klar werden, wo Sie künftig leben möchten. Möchten Sie in Großbritannien leben oder in Deutschland? Je nachdem sollten Sie klären, unter welchen Voraussetzungen Sie im jeweiligen Land leben können. Ziel muss sein, dass Sie als jeweils ausländischer Staatsbürger einen Aufenthaltstitel erreichen. Alternativ sollten Sie auch drüber nachdenken, jeweils die britische oder die deutsche Staatsbürgerschaft zu erwerben. Soweit Sie Ihre Scheidung planen, wäre zu prüfen, welches Recht für Ihr Scheidungsverfahren und die güterrechtliche Auseinandersetzung zur Anwendung käme.

Ganz aktuell: Trennungsunterhalt auch ohne Zusammenleben in der Ehe möglich

Eine Entscheidung des OLG Frankfurt vom 12.7.2019 erregt gerade hohe Aufmerksamkeit. Der Fall wäre eigentlich nebensächlich, wären die Beteiligten nicht deutscher und britischer Staatsangehörigkeit. Das Gericht hatte entschieden, dass die Frau Trennungsunterhalt beanspruchen könne, obwohl das Paar nie zusammengelebt hatte. Das Gericht verwies den wohl völlig überraschenden Gatten darauf, dass es auf die Verflechtung der wechselseitigen Lebenspositionen und eine inhaltliche Verwirklichung der Lebensgemeinschaft nicht ankomme. Hintergrund war, dass beide Ehepartner einen indischen kulturellen Hintergrund hatten und zwangsverheiratet waren. Das Gericht verwertete zudem den Hinweis der Parteien, dass sie zumindest anfangs die Absicht hatten, in Paris ein gemeinsames Leben zu führen, dahingehend, dass eine gewisse eheliche Verbindung wohl doch bestanden habe.

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Autor Volker Beeden vgwort-pixel

Datum 15. Oktober 2019

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