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Scheidung

Bei Kindesentführung kein Steuerabzug wegen Prozesskosten

Hat Ihr Ex-Partner Ihr Kind „entführt“, können Sie den damit verbundenen Prozesskostenaufwand nicht steuerlich geltend machen, wenn Sie versuchen, das entführte Kind aus dem Ausland zurück nach Deutschland zu holen. Der Bundesfinanzhof hat klargestellt, dass die Prozesskosten keine außergewöhnlichen Belastungen darstellen (BFH, Urteil vom 13.8.2020, Az. VI R 15/18). Zur Erklärung verweist das Gericht auf den Gesetzestext.

Was war passiert?

Der Vater einer im Januar 2012 geborenen Tochter lebte von seiner früheren Ehefrau und der Mutter des Kindes getrennt. Die Frau war nach der Trennung von einer Urlaubsreise mit ihrer Tochter in ihren Heimatstaat in Südamerika nicht mehr nach Deutschland zurückgekehrt. Der Mann verlangte, dass die Tochter in Deutschland leben sollte. Um sein Recht durchzusetzen, versuchte er im Wege des Verfahrens zum „Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführungen“ die Mutter zu verpflichten, das Kind nach Deutschland zurückzubringen.

Dadurch entstanden ihm Prozesskosten von insgesamt 20.648,73 EUR. Sie setzten sich aus Rechtsanwaltskosten in Höhe von 9.218,95 EUR, Gerichtskosten von 333,61 EUR, Übersetzungskosten von 178,50 EUR und Reisekosten in Höhe von 10.917,67 EUR zusammen. Den Kostenaufwand wollte er als außergewöhnliche Belastungen in seiner Einkommensteuererklärung geltend machen und berief sich dazu auf die dafür maßgebliche Vorschrift des § 33 Abs. II Satz 4 Einkommensteuergesetz. Das Finanzamt wies den Steueransatz zurück. Der Bundesfinanzhof bestätigte die Einschätzung des Finanzamtes in letzter Instanz.

Wie begründete das Gericht sein Urteil?

Nach § 33 Abs. II Satz 4 Einkommensteuergesetz sind Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits in der Einkommensteuererklärung nicht zu berücksichtigen, es sei denn, es handelt sich um…

…„Aufwendungen, ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen könne.“…

Es ging also darum, wie diese Vorschrift zu interpretieren ist. Das Gericht stellte klar, dass der Begriff der „Existenzgrundlage“ im Sinne einer materiellen Lebensgrundlage zu verstehen sei. Es komme nicht in Betracht, diesen Begriff auch in einem immateriellen Sinne zu deuten, wenn es dem Kläger beispielsweise darum geht, seine Überzeugungen oder Wertvorstellungen oder die Eingebundenheit einer Person in eine Familie gerichtlich geltend zu machen.

Auch Aufwendungen für Streitigkeiten, die den Kernbereich menschlichen Lebens berühren, sind als außergewöhnliche Belastungen nicht abzugsfähig. Der Gesetzgeber habe mit der Neufassung der maßgeblichen Vorschrift klargestellt, dass die Abzugsfähigkeit von Prozesskosten nur in einem engen Rahmen in Betracht komme.

Mit einer Kindesentführung sei ungeachtet der besonderen emotionalen und auch finanziellen Belastung allein die immaterielle Existenzgrundlage betroffen. Insoweit zählt es zum allgemeinen Lebensrisiko, wenn Sie in einem solchen Fall prozessieren. Der Staat unterstützt Sie zwar nachhaltig, Ihr Kind eventuell aus dem Ausland zurückzuholen, ist aber nicht bereit, sich auch an den Prozesskosten für einen Rechtsstreit zu beteiligen.

Interessant zu wissen

Bei grenzüberschreitenden Entführungen hält das Haager Kindesentführungsübereinkommen Regelungen bereit, die eine schnelle Rückführung des Kindes gewährleisten sollen. Die Rückführung ist aber nur realistisch, wenn Ihr Kind in ein Land verbracht wurde, das auch das Haager Übereinkommen unterzeichnet hat. Das Übereinkommen ist in Deutschland und etwa 84 weiteren Staaten der Welt in Kraft. Es fehlen weitgehend Staaten, die dem islamischen Rechtskreis angehören. Die aktuelle Länderliste entnehmen Sie der Website des Bundeszentralregisters unter: www.bundeszentralregister.de. Länder, die dem Übereinkommen beigetreten sind, haben eigene Behörden eingerichtet, die sich um die Rückführung des Kindes kümmern. In Deutschland ist diese Behörde beim Generalbundesanwalt in Bonn angesiedelt. Sind Sie betroffen, können Sie direkt die Hilfe des Bundesamtes für Justiz in Anspruch nehmen. Es empfiehlt sich, angesichts der Komplexität der Materie, sich anwaltlich beraten und möglichst auch vertreten zu lassen.

Option: Entziehung des Sorgerechts

Auch wenn ein Elternteil nach der Scheidung ins Ausland verzieht, bleibt das gemeinsame Sorgerecht beider Elternteile für das gemeinsame Kind bestehen. Derjenige Elternteil, der umzieht, beansprucht mit dem Umzug, das Aufenthaltsbestimmungsrecht als Teil des Sorgerechts wahrzunehmen. Sind Sie mit dem Umzug nicht einverstanden, könnten Sie bei Gericht beantragen, dass dem anderen Elternteil zumindest das Aufenthaltsbestimmungsrecht als Teil des Sorgerechts entzogen und allein Ihnen übertragen wird. Ob die dafür notwendigen Voraussetzungen vorliegen, bestimmt sich vorwiegend nach den Interessen des Kindes und dem Kindeswohl. Es gibt hierzu eine recht umfangreiche Rechtsprechung zu Einzelfällen.

Auch Scheidungskosten sind steuerlich nicht mehr relevant

Der Bundesfinanzhof hatte auch klargestellt, dass Scheidungskosten anders als nach der früheren Rechtsprechung nicht mehr als außergewöhnliche Belastungen in der Einkommensteuererklärung Berücksichtigung finden können (BFH, Urteil vom 18.5.2017, Az. VI R 9/16). Auch hierzu berief sich der Bundesfinanzhof auf den Wortlaut des § 33 Einkommensteuergesetzes.

Lassen Sie sich scheiden, wenden Sie die Kosten für Ihr Scheidungsverfahren nämlich nicht zur Sicherung Ihrer Existenzgrundlage und Ihrer lebensnotwendigen Bedürfnisse auf, sondern, weil Ihre Ehe gescheitert ist und Sie geschieden werden wollen. Eine solche existenzielle Betroffenheit fehle auch dann, wenn der Fortbestand Ihrer Ehe eine starke Beeinträchtigung Ihres Lebens darstellen würde. Auch hier müssten Sie grundsätzlich nur immaterielle Nachteile in Kauf nehmen. Der Gesetzgeber habe die steuerliche Abzugsfähigkeit von Prozesskosten auf einen engen Rahmen zurückführen und Scheidungskosten vom Abzug als außergewöhnliche Belastung bewusst ausschließen wollen. Diese gesetzliche Vorgabe könne die Rechtsprechung nicht wieder korrigieren.

Interessant zu wissen

Ihre Scheidungskosten finden auch dann steuerlich keine Berücksichtigung, wenn Ihre Scheidung aufgrund der Empfehlung Ihres Arztes medizinisch indiziert war (Sächsisches Finanzgericht, Urteil vom 19.4.2018, Az. 8 K 80/18). Ihre Existenzgrundlage wäre durch die seelischen oder körperlichen Beeinträchtigungen nur mittelbar betroffen. Im Fall hatte ein Ehepartner geltend gemacht, dass er die Scheidung eingereicht habe, um seine Depressionen zu bekämpfen. Ohne die Scheidung hätte er nicht mehr arbeiten können. Insoweit fallen derartige Probleme ausschließlich in Ihr allgemeines Lebensrisiko.

Wichtig zu wissen: Scheidungen mit Auslandsbezug

Sind Sie mit einem ausländischen Staatsangehörigen verheiratet, hat Ihre Scheidung Auslandsbezug. Sie sollten frühzeitig klären, vor welchem nationalen Familiengericht Sie Ihre Scheidung beantragen und nach welchem nationalen Scheidungsrecht Ihre Scheidung abgewickelt werden soll. Möchten Sie in Deutschland nach deutschem Scheidungsrecht geschieden werden, sollten Sie im Zweifelsfall mit Ihrem Ehepartner schriftlich vereinbaren, dass das deutsche Scheidungsrecht Anwendung finden soll. Sie treffen insoweit eine „Rechtswahl“. Im Idealfall haben Sie eine solche Vereinbarung bereits aus Anlass Ihrer Eheschließung oder während Ihrer Ehe geschlossen. Ansonsten können Sie eine solche Vereinbarung jederzeit und insbesondere auch noch im Hinblick auf Ihre Scheidung treffen.

Auch der Streit um das Umgangsrecht ist steuerlich nicht relevant

Möchte ein Elternteil dem anderen das Umgangsrecht entziehen lassen (hier Verdacht des sexuellen Missbrauchs), kann er den damit verbundenen Prozesskostenaufwand nicht als außergewöhnliche Belastung im Rahmen der Einkommensteuererklärung geltend machen (Finanzgericht Münster, Urteil vom 12.2.2019, Az. 2 K 750/17). Auch hier ging es um die maßgebliche Vorschrift des § 33 Einkommensteuergesetz.

Im Hinblick auf das Umgangsrecht liege zwar ein dringendes soziales Bedürfnis vor, das Problem hätte aber auch von Amts wegen durch das Jugendamt geregelt werden können, so dass es auf eine rechtliche Auseinandersetzung nicht unbedingt angekommen wäre. Letztlich stand auch hier ein immaterielles Bedürfnis nach einer Regelung zur Debatte. Es ging nicht um die Existenzgrundlage des Elternteils.

Alles in Allem

Nicht jedes Lebensrisiko ist steuerlich relevant. Verursachen Sie Prozesskosten, handeln Sie zunächst im eigenen Interesse. Der Fiskus springt Ihnen nur und erst dann zur Seite, wenn dadurch Ihre materielle Lebensgrundlage nachhaltig betroffen ist. Die Voraussetzungen dafür sind jedenfalls ziemlich eng gesetzt.

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Autor Volker Beeden vgwort-pixel

Datum 9. November 2020

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